Dokumentarfilme

 

Die Sammlung dokumentarischer Filme stellt einen Kernbestand des Filmarchiv Austria dar. Momente und Augenblicke der kollektiven Erinnerung – etwa das Begräbnis Kaiser Franz Josephs 1916, die Ausrufung der Ersten Republik 1918, die Februarkämpfe 1934, der Einmarsch Hitlers 1938 oder die Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955 – konstituieren das audiovisuelle Gedächtnis des Landes und tragen maßgeblich zur kulturellen Identität Österreichs bei. Aber nicht nur historische Ereignisse und Zäsuren wurden filmisch festgehalten, auch viele Begebenheiten des alltäglichen Lebens haben sich, etwa in privaten Filmdokumenten, verewigt.

K.-u.-k.-Ära (1896–1918)

Das Filmarchiv Austria beherbergt heute die weltweit größte Filmsammlung zur Geschichte der Donaumonarchie. Über 500 historische Filmdokumente der Periode 1896 bis 1918 zeichnen eindrucksvoll das frühe 20. Jahrhundert und die großen Zäsuren der Zeitgeschichte nach. Die ältesten im Filmarchiv erhaltenen Laufbilder stammen von den Gebrüdern Lumière und wurden 1896 in Wien aufgenommen, die älteste österreichische Produktion stammt vom Wanderkinounternehmer Johann Bläser und zeigt den Kaiserbesuch in Braunau 1903. Von historischer Bedeutung sind die zahlreichen Filmaufnahmen über das Kaiserhaus oder die von der staatlichen Filmpropaganda meist gesteuerten dokumentarischen Produktionen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges.

VERMÄHLUNG DES KÜNFTIGEN THRONFOLGERS ERZHERZOG KARL FRANZ JOSEF MIT PRINZESSIN ZITA VON PARMA, A 1911

Erste Republik (1918–1938)

Die Sammlung an dokumentarischen Filmen aus der Ersten Republik ist von besonderem zeitgeschichtlichen Interesse, galt doch das Kino als das entscheidende Medium in der Verhandlung gesellschaftlicher Fragen und auch in der politischen Auseinandersetzung. Die Kollektion der ehemaligen Staatlichen Hauptbildstelle für Lichtbild und Bildungsfilm bildet dazu einen wichtigen Korpus, einen weiteren Schwerpunkt stellt die Sammlung proletarischer Filme dar, die im Vorfeld der Sozialdemokratie entstanden. Wesentliche Filmdokumente aus dieser Zeit konnte das Filmarchiv Austria in den vergangenen Jahren in internationalen Partnerarchiven auffinden. Eine bedeutende Spezialsammlung stellt die Wochenschau des Ständestaates ÖSTERREICH IN BILD UND TON dar, ebenso wie im staatlichen Auftrag hergestellte filmische Berichte zu verschiedenen öffentlichen bzw. politischen Ereignissen.

DER BRAND DES JUSTIZPALASTES, A 1927

NS-Zeit (1938-1945)

Filmdokumente zur Geschichte Österreichs im Nationalsozialismus galten bis in die jüngste Vergangenheit vielfach als verschollen. Dem Filmarchiv Austria ist es gelungen, seine Sammlung in diesem Bereich entscheidend zu erweitern: Mit den 1938 bis 1939 hergestellten OSTMARK-WOCHENSCHAUEN wurde ein nahezu geschlossener Quellenbestand zur Dokumentation der NS-Machtübernahme in Österreich sichergestellt. Weiters konnten vor allem in den Bundesländern Sammlungen von im Auftrag einzelner Gauleitungen hergestellten Propagandafilmen zur Volksabstimmung, Filme aus Firmenarchiven und filmische Dokumente von NS-Unterorganisationen wiederentdeckt werden. Eine wertvolle Ergänzung bilden die über Suchaufrufe in größerer Anzahl ins Archiv gelangenden Amateurfilme, die oft einen unverstellten Blick auf den Alltag der NS-Zeit ermöglichen.

IM BEFREITEN INNSBRUCK (OSTMARK-Wochenschau 9A/1938), A 1938

Zweite Republik (1945 bis heute)

Seit seiner Gründung 1955 hat das Filmarchiv Austria (damals Österreichisches Filmarchiv) die Überlieferung von Filmdokumenten zur Geschichte der Zweiten Republik massiv vorangetrieben. Wichtige Quellen stellen dabei Dokumentarfilme verschiedenster Produktionsfirmen und Wochenschau-Bestände der alliierten Besatzungsmächte dar. Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Kultur- und Bildungsfilme, die vor allem für die Jahre des Wiederaufbaus eine identitätsstiftende Funktion hatten. 2017 konnte das Filmarchiv Austria etwa das gesamte Archiv des vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilmers Albert Quendler übernehmen, der für viele »Aufbaufilme« der Nachkriegsjahre verantwortlich zeichnete. Seit einigen Jahren werden seitens der Bundesländer regelmäßig auch viele landeskundliche Filmsammlungen sowie Bestände aus dem Bereich Schul- und Unterrichtsfilm an das Filmarchiv Austria übergeben.

ÖSTERREICH IST FREI, Sonderausgabe der AUSTRIA WOCHENSCHAU, A 1955

Filmdokumente zu österreichischen Regionen

Die systematische Erarbeitung einer filmischen Topografie der österreichischen Bundesländer und Regionen bildet seit Mitte der 1990er-Jahre einen besonderen Sammlungsschwerpunkt im Filmarchiv Austria. Zu nahezu allen österreichischen Regionen liegen mittlerweile Filmdokumente verschiedenster Formate und Genres vor. Durch Recherchen in lokalen Archiven, Museen sowie über gezielte regionale Suchaufrufe konnte das Filmarchiv Austria die filmische Landvermessung weiter verdichten, einen wesentlichen Beitrag dazu leisten die bereits ab Anfang des 20. Jahrhunderts hergestellten privaten Filmdokumente. Die Amateurfilmsammlung des Filmarchivs gilt mit über 100.000 Titeln inzwischen als die größte Europas. Mit der hauseigenen DVD-Edition »Österreich in historischen Filmdokumenten« wird die filmtopografische Arbeit des Filmarchivs Region für Region veröffentlicht.

Kompilation von Filmen zu Graz, A ca. 1914/18